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Zorn über Geschichtsverfälschung

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Als Enkel, der seinen Großvater nicht kennenlernen konnte, las ich am 1. März 2012 einen Bericht in der Bottroper Ausgabe der WAZ. Darin wurde vom Bemühen eines lokalen Hobbyhistorikers um die Gestalt des Nazioberbürgermeisters Graf Stosch berichtet. Er hatte seine Zeit damit verbracht sich der Fragestellung zu widmen, warum in der Galerie der Bottroper Oberbürgermeister der ehemalige Leiter der Gestapo-Stelle Recklinghausen, der dann als Oberbürgermeister in Bottrop fungierte, fehlt. Hierzu legte er eine durch die Stadt mit knapp 2000 Euro finanzierte Schrift vor, die später in den nicht verkauften Restbeständen in die Schulen verteilt wurde. Mir kamen bei der Lektüre Wutgefühle auf, waren doch allein schon die Fragestellung eine zielgerichtete Verniedlichung im Tenor des unschuldig schuldig werden. Ob man ihn nicht doch noch als Stadt im Gedenken halten müsse, denn er war ja wohl auch noch Protestant und habe sich mit verschiedenen Nazis auch mal angelegt.. Eine Schrift, die jeder Geschichtswissenschaftler schon im Ansatz als stümperhaft erkennen konnte, da die Fragestellung und der Kontext schon mangelhaft angelegte waren. Eine Sammlung von Archivbruchstücken in eine fiktive Erzählung eingebettet. Ich wandte mich an die Stadt und über die WAZ an die Öffentlichkeit und kam so erst mit dem zögerlich reagierenden Rathaus in Kontakt. Zunächst in übler Erinnerung, denn als ich dem damaligen Kulturdezernenten, unter dessen Obhut die Schrift entstand, begegnete, musste ich mir nach Schilderung des Verbrechens an meinem Großvater Sätze anhören, die verletzend waren. „Woher wissen Sie das eigentlich? Vielleicht war ihr Großvater einfacher Krimineller, oder gar Homosexueller?“ „Vielleicht ist es ein Märchen, was sie da erzählen. Wieso wusste ihre Großmutter denn da was von?“ Sätzen, bei denen man zunächst entsetzt ist, aber schnell begreift, dass hier die alten Nazikategorien noch lebendig sind. Vorweg, August Steinsiek war kein Krimineller und auch nicht homosexuell, was das Denken meiner Gesprächspartner als Nazikategorien für damals so genannte Asoziale erinnerlich war. Er war ehrbarer Bürger und Unternehmer der Stadt Bottrop und Ehemann, sowie Vater einer Tochter und eines Sohnes.

Ich selber wurde mein Leben von offenen Fragen begleitet, nicht zuletzt auch eine Triebfeder u. a. Geschichte zu studieren. Lange setzte ich mich schon mit dem Weg meiner Familie auseinander. Als junger Sozialarbeiter verbrachte ich einige Monate im Jugendamt der Stadt Bottrop und war schon damals ergriffen von der nahen Präsenz jener Stätte und Nachbarschaft des Rathauses, in der mein Großvater wohl seine ersten Mißhandlungen erfuhr. Täglich konfrontiert mit der bis heute existierenden unkommentierten „Ehrentafel der Weltkriegsopfer des Rathauses“… unter ihnen, die wohl überwiegend fest parteipolitisch in das hitlersche Verbrecherregiem einbezogen waren, diejenigen, die meinem Großvater den Besuch des Rathauses untersagten und seine Ermordung „verursachten“? Diese Wanddarstellung gab mir den Impuls etwas Bleibendes in Bottrop für meinen Großvater zu schaffen. Die Nazis sollten letztlich nicht siegen mit dem viel benutzten Spruch „der kommt dann weg.“ August Steinsiek muss mit seiner Geschichte, die hier erzählt und belegt werden wird in Bottrop bleiben und auch zukünftige Generationen mahnen. Denn als er Bottrop verlassen musste gab es keine Autorität, die angerufen werden konnte. Selbst Bottrops protestantische Kirche war dem Hitlerwahn erlegen.

Hans-Joachim Steinsiek, 8. 11. 2021

Anmerkung: Diese Web-Seite ist nicht abgeschlossen, da fortlaufend die Forschungsergebnisse und vorhandenen Belege zur Lebensgeschichte von August Steinsiek veröffentlicht werden. Die Seite darf geteilt und digital verbreitet werden. Alle Texte und Bilder sind jedoch geschützt als Eigentum des Verfassers. Sie dürfen nicht ohne Genehmigung in Printform übernommen werden.